26.07.2021
Mitte Juni hat die Mitgliederversammlung entschieden, neu das Projekt 'Myrtle' in Südindien zu unterstützen. Das Projekt passt sehr gut zur Inter-Mission und wir sind überzeugt, dass die Verantwortlichen vor Ort eine hervorragende Arbeit machen. Wir freuen uns sehr auf die Zusammenarbeit und stellen das Projekt hier vor.
Vision
Das 'Myrtle Social Welfare Network' ist eine gemeinnützige Organisation, die 2003 in Chennai (Indien) gegründet wurde. Myrtle setzt sich für die am meisten benachteiligten Kinder, Jugendlichen und Frauen ein, indem ihre Lebensqualität verbessert wird und ihnen ermöglicht wird, ihr Potenzial zu entdecken und ein würdiges Leben zu führen.
Irulas
Die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeitenden von Myrtle setzen sich für die Bevölkerungsgruppe der 'Irulas' ein. Die Irulas sind Kastenlose und befinden sich am unteren Rand der indischen Gesellschaft. Die Bezeichnung 'Irulas' geht auf das Tamilische zurück und bedeutet 'Dunkelheit' und meint im weiteren Sinne Menschen, die ohne Bildung ein 'unschuldiges Dasein' führen.
Sie leben als Grossfamilien zusammen, drei oder vier Generationen in einer Hütte sind die Regel. Weil der Platz eng ist, schlafen sie des Nachts oft auch vor den Häusern oder am Wegrand, sofern die Witterung es erlaubt. Ihre einfachen Hütten, zumeist mit Palmblattdächern, errichten sie immer dort, wo sie geduldet werden. Die sanitären Anlagen fehlen deshalb oder sind – auch nach Premierminister Narendra Modis 'Latrinenbauprogramm' – nicht funktional. Die Wasserversorgung ist dürftig, oft sind die Wege zu Wasserstellen weit. Gewaschen und gebadet wird in den umliegenden Gewässern oder Seen.
Sie gehen gewöhnlich einfachen Tätigkeiten als Tagelöhner nach. Früher lebten etliche von ihnen vom Ratten- oder Schlangenfang, wobei der Schlangenfang von der indischen Regierung verboten wurde. Heute leben viele Irulas von der Herstellung von Holzkohle, die auf den Märkten verkauft wird. Da sie damit nur sehr wenig verdienen, finden sich in den Irula-Dörfern überdurchschnittlich viele unterernährte oder ausgezehrte Kinder.
Bildung
Die Irulas sind fast durchweg Analphabeten und geben der Schulbildung wenig Beachtung. Lieber werden die Kinder früh zu Tagelöhner-Arbeiten (z.B. auf Feldern) mitgenommen und im Jagen oder Fischfang unterrichtet. Immer mehr geraten auch in die Abhängigkeit von Grossgrund- oder Fabrikbesitzern, die sie durch Geldverleih zu Wucherzinsen an sich binden und die Schulden abarbeiten lassen.
Obwohl in Tamil Nadu das Schulsystem vergleichsweise gut funktioniert und auch den Irula der Schulbesuch von Gesetz wegen zugänglich ist, finden nur wenige der Irula-Kinder den Weg dorthin. Entweder sind die Eltern der Grund dafür, oder aber die Lehrer oder Schulleiter selbst, die 'diese Kinder' nicht unterrichten oder in ihren Klassen haben möchten. Da viele Irula auch nicht alle notwendigen oder ihnen zustehenden gesetzlichen Registrierungen besitzen, gibt es zusätzlich administrative Hürden.
Dennoch wollen die Kinder gerne zur Schule gehen, wenn man ihnen das ermöglicht, müssen aber an die erforderliche Disziplin herangeführt werden. Finanzielle Notlagen führen auch schnell zu Schulabbrüchen, wenn die Kinder wieder zum Arbeiten mit herangezogen werden. Die Hauptherausforderungen sind:
- Vorzeitiger Schulabbruch der Kinder
- Schlechte Erreichbarkeit der Schulen für die Irulas
- Kinder/Jugendliche werden traditionell sehr früh verheiratet.
- Mangelnde Hygiene
- Alkoholismus
- Sehr schlechte Verdienstmöglichkeiten der Eltern
Ziele
Myrtle hat sich folgende Ziele gesetzt:
- Kindesmissbrauch verhindern, Kinder schützen und ihre Rechte fördern.
- Den benachteiligten Kindern Bildung ermöglichen und die Schulabbrecherquote auf null zu reduzieren.
- Die ganzheitliche Entwicklung von Kindern und Jugendlichen fördern, sie bis zum Schulabschluss begleiten und ihnen zu einer Ausbildung oder einer Anstellung verhelfen.
- Grundlagewissen über Hygiene und Sauberkeit vermitteln.
- Frauen stärken und die Gleichberechtigung der Geschlechter fördern.
- Erkennen aktueller sozialer Themen und Probleme sowie die Entwicklung von Lösungsansätzen.
- Die Irula-Gemeinschaft zu ökologischem Bewusstsein führen und ihre Begabungen und Wissen diesbezüglich nutzbar machen.
- Die heranwachsenden und erwachsenen Männer über die Gefahren und Abhängigkeiten des Alkoholkonsums aufklären und zu Verantwortung ihren Familien gegenüber hinführen.
Projektstand
In den vergangenen acht Jahren haben MYRTLE Mitarbeitende Hausbesuche gemacht und durch diverse Aktivitäten wie Kurse zu Gesundheitsthemen, Marionettentheater, usw. sehr gute Beziehungen zu den Gemeinschaften und deren leitenden Persönlichkeiten aufgebaut. In insgesamt zwölf Irula-Siedlungen konnten kleine Ausbildungszentren gebildet werden wo die Kinder an das regelmässige Lernen herangeführt werden und Lesen und Schreiben lernen. Die Kinder werden ermutigt und gefördert, die Schulen zu besuchen und werden bei den Hausaufgaben betreut. Die Dorfkinder helfen teilweise selbst als 'Betreuer' mit. Ein Mädchen konnte tatsächlich nach Abschluss der 10. Klasse auf eine weiterführende Schule begleitet werden, was eine Art 'Eisbrecher' für viele andere Familien war.
Auf einem Privatgelände inmitten von vier grösseren Siedlungen konnte ein Gemeinschaftszentrum errichtet werden, was als zentrale Anlaufstelle dient und wo verschiedene Weiterbildungen angeboten werden – überwiegend für Frauen. COVID-bedingt mussten leider alle Aktivitäten eingestellt werden. Sie werden wieder aufgenommen, sobald es die Behörden dies erlauben.
Die nächsten Schritte
Dank der Unterstützung durch die Inter-Mission Schweiz kann nun in diesen zwölf Siedlungen neben den Aktivitäten in den Ausbildungszentren den Kindern auch täglich eine warme Mahlzeit angeboten werden und weitere Programmaktivitäten und Schulungsangebote sind möglich.